Ein ‘Weiter-so’-Durchregieren im Bundesparlament wie bisher wird es nicht mehr geben.
Im 19. Deutschen Bundestag sind so viele Parteien und Abgeordnete vertreten wie nie zuvor in seiner 58jährigen Geschichte. Insgesamt 709 Abgeordnete aus sechs Parteien sitzen seit dem 24. Oktiober 2017 im großen Plenarsaal. Mit dem Einzug der Alternative für Deutschland kommt ein frischer Wind ins Parlament. Die 92 AfD-Abgeordneten spiegeln das hervorrgende Wahlergebnis wider, dass die Alternative für Deutschland mit 12,6 Prozent der Wählerstimmen zur drittstärksten Fraktion gemacht hat.
Der Einzug der AfD in den Deutschen Bundestag ist mit dem Auftrag der Wähler verbunden, die politische Debatte im Bundestag wiederzubeleben. Es war ein grundlegendes Wahlversprechen der Alternative für Deutschland, die direkte und indirekte Bürgerbeteiligung an politischen Entscheidungen zu stärken. Im Mittelpunkt steht das Verständnis der Partei, dass gemäß der grundgesetzlichen Forderung “Alle Gewalt geht vom Volk aus” die politischen Entscheidungsprozesse wieder transparenter gemacht werden sollen. Erste Voraussetzung dafür ist die Wiedereinführung einer Debattenkultur, in der die gesellschaftlichen Themen und Probleme im höchsten deutschen Parlament eingehend diskutiert werden, bevor die gewählten Volksvertreter im Bundesparlament die Möglichkeit erhalten, abzustimmen. Die sachlich vorgetragene Kontroverse unterschiedlicher Standpunkte ist dabei nicht nur das Salz in der politischen Debatte, sondern die grundlegende Voraussetzung, dass der Bürger als “Souverän” sich sein eigenes Bild davon machen kann, warum die Bundesregierung zu ihren jeweiligen Entscheidungen gekommen ist. Regierungshandeln muss transparenter werden und nachvollziehbar für die Bürger sein.
Im Hinblick auf die Belebung des demokratischen Prozesses wurden dank der AfD-Fraktion bereits am ersten Tag erste Ausrufezeichen gesetzt. So wurde die Eröffnungsrede in der konstituierenden Sitzung nicht vom ältesten Mitglied des neu gewählten Deutschen Bundestages gehalten, wie dies seit den ersten Tagen der Demokratie in Deutschland üblich ist. Möglich wurde das aufgrund der am letzten Tag des alten, 18. Deutschen Bundestages durch das Parlament gepeitschten Neuregelung zum Alterspräsidenten, wonach der “dienstälteste” Abgeordnete die Eröffnungsrede halten soll. Mit dieser Neuregelung wollten die Altparteien verhindern, dass möglichweise ein Abgeordneter der AfD die erste Rede im neuen Bundestag halten konnte. Somit blieb es dem AfD-Abgeordneten Wilhelm von Gottberg versagt, die neue Legislaturperiode zu eröffnen. An seiner statt durfte Otto Solms (FDP) die ersten Worte sprechen, wobei er sich nicht zu schade dafür war, als allererste Amtshandlung sich und seiner Partei für den Wiedereinzug in den Bundestag zu gratulierten.
Der Parlamentarische Geschäftsführer der AfD-Bundestagsfraktion, Dr. Bernd Baumann, erinnerte in seiner ersten Rede die Abgeordneten daran, dass es seit 1848 in der Frankfurter Paulskirche in Deutschland Tradition gewesen sei, dass das älteste Mitglied die Versammlung eröffnet habe und nicht der dienstälteste Abgeordnete. Nur einmal in der deutschen Geschichte sei davon abgewichen worden: Im Jahr 1933 hatte der Nationalsozialist Hermann Göring “den politischen Gegner (in ähnlicher Weise) ausgegrenzt”.
Auch bei der Wahl der Bundestagsvizepräsidenten zeigte sich, wie “verquer” kleingeistig die Altparteien inzwischen denken und handeln. So wurde mit Claudia Roth (Grüne) eine Politikerin ohne Diskussion mit altparteiübergreifender Mehrheit ins Amt gewählt, obwohl sie in der Vergangenheit linksextreme bzw. vom Verfassungsschutz beobachtete, zur Gewalt gegen Staat und Polizei aufrufende Gruppierungen (z.B. Indymedia, Rote Flora) offiziell unterstützt hatte. Dem AfD-Kandidaten Albrecht Glaser, hingegegen wurde in drei Wahlgängen die Zustimmung verweigert wegen einer von ihm im Wahlkampf getätigten Äußerung zum Islam. Albrecht Glaser hatte die Haltung des Islam gegenüber anderen Religionen thematisiert und seine persönliche Meinung mit den Worten erläutert: “Der Islam ist eine Konstruktion, die selbst die Religionsfreiheit nicht kennt und die sie nicht respektiert. Und die da, wo sie das Sagen hat, jede Art von Religionsfreiheit im Keim erstickt. Und wer so mit einem Grundrecht umgeht, dem muss man das Grundrecht entziehen.”
Somit ist vorläufig noch kein Vertreter der AfD zum Bundestagsvizepräsidenten gewählt. AfD-Fraktionssprecher Dr. Alexander Gauland betonte, die Fraktion werde an der Kandidatur von Albrecht Glaser festhalten. Als nächsten Schritt wird sich der Ältestenrat des Deutschen Bundestages mit der Angelegenheit befassen müssen.
Wie es die Altparteien CDU, CSU, SPD, FDP und GÜNE mit der Beteiligung der Abgeordneten im Deutschen Bundestag halten, zeigte sich an einem von der AfD und SPD gemeinsam eingebrachten Antrag, wonach die Bundesregierung künftig dem Parlament Rede und Antwort stehen solle. Dass diese Forderung überhaupt gestellt werden musste, zeigt, wie “parlaments- und demokratiefeindlich” es im Deutschen Bundestag inzwischen zugeht. Angesprochen wurde etwas, das in einem demokratisch gewählten Parlament eigentlich selbstverständnlich sein sollte: eine Fragestunde, in der sich die Bundesregierung den Fragen der Abgeordneten zu aktuellen Themen stellen muss. Dieser Antrag wurde mit den Stimmen der (noch nicht) Koalitionäre von CDU-CSU-FDP-GRÜNE abgelehnt – ein Armutszeugnis für FDP und GRÜNE, deren Spitzenfunktionäre demokratische Entscheidungsprozesse als Grundpfeiler ihrer Parteien definieren.
Die Abstimmung und das Ergebnis werfen in mehrfacher Hinsicht ein Licht auf das aktuelle Demokratieverständnis der im Bundestag vertretenden Parteien. Die AfD-Fraktion hatte für die Fragerunde an die Regierung einen Monatsrhyhtmus im Auge, während die SPD-Fraktion sich mit einem vierteljährlichen Intervall zufrieden gab. Die AfD hatte sich schließlich der SPD-Forderung angeschlossen, damit AfD und SPD gemeinsam votieren konnten. Dieses gemeinsame Votum wurde von den anderen Parteien mit einem “Raunen” quittiert. Die SPD musste sich (nicht nur in Internetforen) zudem die Frage gefallen lassen, warum sie diese Fragerunde für die Bundesregierung erst zum eigenen Thema gemacht habe, als sie nicht mehr selbst in der Regierungsverantwortung sitzt und nachdem klar war, dass die AfD einen ähnlich lautenden Vorschlag ins Parlament einbringen würde.
Bereits anhand dieser Beispiele der konstituierenden Sitzung des 19. Deutschen Bundestages zeigte sich, wie wichtig die Alternative für Deutschland als neue, drittstärkste Kraft im höchsten deutschen Parlament ist. Die Präsenz der AfD gibt den Impuls, um die abgehoben wirkende Regierungsarbeit wieder in Richtung einer transparent-bürgernahen Politik zu reformieren. Man darf gespannt sein, wie sich die (Möchtegern-) Koalitionsparteien FDP und GRÜNE sowie die Schwesterpartei CSU in Themen und Sachfragen gegenüber der großen “Mutter”-Partei CDU abstimmungstechnisch verhalten werden, um ihre im Wahlkampf wiederholt gemachten (teilweise von der AFD übernommenen) Kernforderungen durchzusetzen. So hatte FDP-Frontmann Lindner die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses gefordert, um die Rechtmäßigkeit der Alleinentscheidung von Bundeskanzlerin Merkel zur Grenzöffnung für Migranten ohne Beteiligung des Parlaments zu überprüfen. Dieser Untersuchungsausschuss wird von der AfD mit Nachdruck gefordert, wie die stellvertretende AfD-Fraktionsvorsitzende Beatrix von Storch betonte.
Auch die Begrenzung und gezielte Lenkung der Zuwanderung wurde von den zwei potentiellen Koalitionspartnern FDP und CSU gefordert, während die GRÜNEN eindeutig am ‘weiter-so’ der bisherigen Bundespolitik der offenen Grenzen festhalten und anstelle von rechtmäßig ausgesprochenen Abschiebungen sogar ein Bleiberecht für alle legal und illegal nach Deutschland Zugewanderten installieren möchten. Während die FDP die Senkung der Energiekosten fordert, halten die GRÜNEN die Fortsetzung der vom Verbraucher hochsubventionierten Energiewende für nicht verhandelbar und möchten anders als die FDP lieber heute als morgen ein schnelles Verbot für Dieselkraftfahrzeuge, ohne freilich zu sagen, woher der dadurch erforderliche gigantische Stromenergiebedarf eigentlich herkommen soll. Hinzu kommt der von allen Parteien vor Wahlen stets beschworene ausgeglichene Staatshaushalt ohne Steuererhöhungen, was im Lauf der Koalitionsverhandlungen sowieso klammheimlich unter den Tisch fallen dürfte.
Die AfD ist angetreten, die Regierungsarbeit wirkungsvoll zu kontrollieren und mit einer kritisch-konstruktiven Oppositionsarbeit zu begleiten. Die AfD wird das sein, was Deutschland und die deutsche Demokratie dringend wieder braucht: eine echte Opposition. Eine neue Zeit im deutschen Parlamentarismus hat begonnen.