Der Auftrag (Art. 146 GG), dass das deutsche Volk in freier Selbstbestimmung sich eine neue Verfassung geben solle, nicht erfüllt.
AfD-Bundesvorstandsmitglied Dr. Alice Weidel, Vorsitzende der AfD-Bundestagsfraktion, hat in ihrer Rede im Deutschen Bundestag am 16. Mai 2019 das Grundgesetz als einen “Glücksfall der Geschichte” bezeichnet und forderte zugleich den “achtungsvollen Umgang” mit diesem Erbe. Sie erinnerte daran, dass die im Grundgesetz verbrieften Rechte und Prinzipien mit Leben zu erfüllen seien.
Hart ins Gericht ging Weidel mit “der falschen Regierungspolitik” von Bundeskanzlerin Merkel und dem “politisch erzwungenen Umbau Deutschlands vom Hochleistungs-Industriestandort zum Niedriglohnland, der die ökonomische Substanz, die den Sozialstaat am Laufen hält” vernichte. Zudem erinnerte Weidel daran, dass “der Auftrag, den das Grundgesetz selbst in Artikel 146 erteilt hatte, nämlich dass das gesamte deutsche Volk in freier Selbstbestimmung sich eine neue Verfassung geben solle, nicht erfüllt wurde.
Hier lesen Sie das Redemanuskript (es gilt das gesprochene Wort):
Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren,
Das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland ist ein solides Fundament der deutschen Demokratie.
Es war ein Glücksfall der Geschichte, dass in schwerster Zeit ein Neuanfang gewagt werden konnte, der in der besten Tradition der deutschen Verfassungsgeschichte und der deutschen Freiheitsbewegung steht.
Dieses Erbe verpflichtet uns zu achtungsvollem Umgang.
Bei allem berechtigten Stolz dürfen wir uns nicht darauf ausruhen, dass es in Deutschlang so lange Zeit gelungen ist, die im Grundgesetz verbrieften Rechte und Prinzipien mit Leben zu erfüllen.
Das Grundgesetz ist nicht vollkommen. Es hat Schwächen, vor allem aber drohen ihm Gefahren.
Sie sind ernst, denn sie gehen von jenen aus, die sich am lautesten als seine Verteidiger aufspielen. Dass Verfassungsbuchstabe und Verfassungswirklichkeit zuletzt immer weiter auseinanderklaffen, ist ein Alarmsignal.
Wir stehen auf brüchigem Boden. Der Wohlstand, auf dem der innere Zusammenhalt der Gesellschaft unter dem Schirm des Grundgesetzes beruht, ist in akuter Erosionsgefahr.
Zehntausende produktive industrielle Arbeitsplätze gehen gerade erdrutschartig verloren:
Bei Autobauern und Zulieferindustrie, bei Chemie- und Pharmaunternehmen, bei Energieversorgern und Kraftwerksbauern, Mittelständlern und Konzernen.
Die Politik berauscht sich an Statistiken, die hohe Beschäftigungszahlen bei stagnierendem Wirtschaftswachstum vorgaukeln.
Pizzaboten, Paketzusteller und Fahrradkuriere sind aber kein Ersatz für produktive Arbeitsplätze, die den Wohlstand erst schaffen, den der Sozialstaat verteilt.
Der politisch erzwungene Umbau Deutschlands vom Hochleistungs-Industriestandort zum Niedriglohnland vernichtet die ökonomische Substanz, die den Sozialstaat am Laufen hält.
Und damit wird auch das in Artikel 20 des Grundgesetzes festgeschriebene Sozialstaatsgebot zum toten Buchstaben und zur leeren Hülle.
Das ist eine direkte Folge falscher Regierungspolitik. In der deutschen Nachkriegsgeschichte wird die Amtszeit von Bundeskanzlerin Angela Merkel stets mit dem Makel dreier eklatanter Rechtsbrüche verbunden sein
- Der Euro-„Rettungs“-Politik, die nationales und europäisches Recht missachtet und sich über die Souveränitätsrechte des Volkes und seiner Vertreter mutwillig hinwegsetzt;
- der „Energie- und Autowende“, die Eigentumsrechte willkürlich missachtet;
- und der bis heute ungelösten Migrationskrise, die unter fortgesetztem Bruch von Artikel 16a illegale Einwanderung über sichere Drittstaaten faktisch und in einer Dimension hinnimmt, die die Integrität des Souveräns, des Staatsvolks dauerhaft und dramatisch verändern wird.
Damit haben Sie, Frau Bundeskanzlerin, unserer Rechts- und Verfassungsordnung schweren Schaden zugefügt.
Das Volk, der Souverän, wurde bei alledem nicht ein einziges Mal gefragt. Das ist eine der unleugbaren Schwächen unseres Grundgesetzes: Das Misstrauen gegenüber dem Volk.
Nach der Wiedervereinigung wurde in den neunziger Jahren die Gelegenheit vertan, diese Schwäche zu heilen.
Der Auftrag, den das Grundgesetz selbst in Artikel 146, erteilt hatte, nämlich dass das gesamte deutsche Volk in freier Selbstbestimmung sich eine neue Verfassung geben solle, wurde nicht erfüllt.
Statt vom gesamten deutschen Volk wurde die Wiedervereinigung von der Volkskammer der untergehenden „DDR“ in einem nüchternen Beschluss vollzogen.
Der damit obsolet gewordene Artikel 23 GG, nach dem der Beitritt der mitteldeutschen Bundesländer zum Grundgesetz erfolgte, war von vorbildlicher Lakonik.
Er wurde ersetzt durch einen neuen Artikel 23, der die Weiterentwicklung der Europäischen Union zum Staatsziel erklärt, aber in seinen zahlreichen Absätzen weder dem Volk noch seinen Vertretern das letzte Wort gibt, sondern Bundestag und Bundesrat lediglich ein Recht auf „Stellungnahme“ einräumt.
Faktisch also ein Verlust an Souveränität; und ein Artikel, der ein ums andere Mal als Freibrief für weitreichende Übertragungen von Hoheitsrechten ausgenutzt werden.
Hier besteht fraglos Verbesserungsbedarf.
Denn es ist ja klar: Jede Verfassung, auch die beste, bedarf der kontinuierlichen Weiterentwicklung.
Dabei gilt: Je prägnanter ein Verfassungstext formuliert ist, desto größer ist dabei seine Autorität.
Je mehr Detailregelungen dagegen darin aufgenommen werden, desto größer die Gefahr der Verengung und Verwässerung.
Sorgsame Weiterentwicklung des Grundgesetzes bedeutet nicht, alle möglichen Spezialwünsche hineinzuschreiben, wie das vor allem von Seiten der Grünen und Linken beharrlich versucht wird, um den deutschen Rechtsstaat durch die Hintertüre zum Gesinnungs- und Klientelstaat umzubauen.
Die Achtung vor dem Geist des Grundgesetzes gebietet, Bewährtes schärfer herauszuarbeiten, Überholtes anzupassen und Anachronistisches zu streichen.
Das heißt zum Beispiel, den millionenfach missbrauchten individuellen Grundrechtsanspruch auf Asyl durch eine institutionelle Garantie mit einfachgesetzlicher Regelung zu ersetzen.
Das bedeutet: Schluß mit ewig lähmenden Gerichtsverfahren Ausreisepflichtiger.
Es heißt, Deutsch als Staatssprache festzuschreiben, was vor siebzig Jahren noch als unnötige Selbstverständlichkeit erschienen wäre.
Und es bedeutet, Volksabstimmungen und Volksentscheide auch auf Bundesebene endlich in der Verfassung zu verankern.
Damit das Selbstbestimmungsrecht des deutschen Volkes an seinen ihm zustehenden Platz zurückkehrt.
(Rede von Dr. Alice Weidel am 16. Mai im Deutschen Bundestag)