Hier geht es direkt zum Wahlprogramm der AfD.
Wie die Tageszeitung Die Welt berichtet, sei das Wahlprogramm der AfD schwer verständlich. Im Vergleich zu den Programmen der anderen Parteien habe es in einer wissenschaftlichen Untersuchung „am schlechtesten“ abgeschnitten. „Die vermeintliche Volksnähe, die die AfD für sich beansprucht, pflegt sie in ihrer Sprache überhaupt nicht“, meint Professor Frank Brettschneider, der Inhaber eines Lehrstuhls für Kommunikationswissenschaften an der Universität Hohenheim ist.
Man könnte auch sagen: Ausgerechnet das Programm der AfD ist das am wenigsten populistische. Wie man es auch macht, irgendjemand meckert immer.
Der Sachverhalt verdient eine nähere Betrachtung, weil er exemplarisch zeigt, wie weit ideologisches Denken sich in den Universitäten und den Redaktionsstuben der Zeitungen schon eingenistet hat und wie mit Hilfe von „Studien“ auf eine neue, immer gleichere Gesellschaft hingearbeitet wird.
Grundlage für die Analyse der Parteiprogramme war der sogenannte „Hohenheimer Verständlichkeitsindex“ (HVI). Dieser stützt sich nach der Selbstbeschreibung auf der Institutsseite (Universität Hohenheim) gleich auf vier andere Formeln zur Berechnung der Verständlichkeit von Texten: der Amstad-Formel, der 1. neuen Wiener Sachtext-Formel, des SMOG-Index (Deutsch) und des Lix Lesbarkeitsindex.
Zusätzlich zu diesen Formeln würden weitere Parameter hinzugezogen:
- Durchschnittliche Satzlänge in Wörtern
- Durchschnittliche Satzteillänge in Wörtern
- Durchschnittliche Wortlänge in Buchstaben
- Anteil der Worte mit mehr als 6 Buchstaben
- Anteil der Satzteile mit mehr als 12 Wörtern
- Anteil der Sätze mit mehr als 20 Wörtern
Vereinfacht gesagt, gehen alle diese Formeln und in der Folge auch der HVI davon aus, dass Texte verständlicher seien, wenn sie aus kürzeren Sätzen und Wörtern mit weniger Silben bestehen: je einfacher desto besser ist das Motto. Die Ergebnisse werden dann zur Veranschaulichung zum Beispiel auf Schulstufen bezogen (Wiener Sachtext Formel): Der Wert 4 entspricht dann einem sehr leicht verständlichem Text, der in der vierten Klasse gelesen werden könnte. Der Hohenheimer Index nutzt eine Skala von 0 bis 20, wobei der Wert 0 für einen sehr komplexen Text, etwa eine politikwissenschaftliche Dissertation, stehe und der Wert 18 mit einem Artikel in der Bild-Zeitung verglichen werden könne.
Man kann die Ergebnisse der Untersuchung daher auch so interpretieren, dass das Wahlprogramm der AfD in sprachlicher Hinsicht einer wissenschaftlichen Arbeit näher steht, als dem Niveau der Bild-Zeitung, dem die CDU am nächsten kommt. Die „besten“ Werte erreichen auch beim Lesbarkeitsindex (Lix) Kinderbücher, den „schlechtesten“ Fachliteratur.
Wichtig zu wissen ist auch, dass die angewandte statistische Methode sich nur auf der Oberfläche der Texte bewegt. Sie sagt nichts aus über die inhaltliche Qualität der Programme. Der HVI würde einem völlig sinnfreien Text, der aber aus sehr kurzen Sätzen und Wörtern besteht, eine hohe Verständlichkeit bescheinigen. (vgl. z.B. die Kritik hier: lingulab)
Trotzdem wird in dem vorliegenden Zeitungsbericht so getan, als sei das Programm der AfD sprachlich, „formal“ und irgendwie auch insgesamt „schlechter“ als die Programme der anderen Parteien. Diese wertende Deutung ist jedoch aus der Studie selbst gar nicht ableitbar. Sie setzt die willkürliche Prämisse, dass Texte von öffentlichem Interesse nur dann gut oder besser seien, wenn sie in einer Sprache verfasst sind, die so einfach ist, dass möglichst alle Bürger den Inhalt ohne große Anstrengung erfassen können. Die ideologischen Stichworte hierzu heißen Teilhabe, Inklusion und „leichte Sprache“. Leichte Sprache soll der Schlüssel sein, damit Menschen mit sprachlichen Defiziten an unserer Gesellschaft teilhaben können. Anders ausgedrückt: Weil es immer mehr alte und vor allem neue Deutsche gibt, die des Deutschen nicht wirklich mächtig sind, sollen alle öffentlichen Texte in einer möglichst leichten Sprache verfasst werden. Mehrere Parteien haben deshalb ihre Wahlprogramm auch in „leichter Sprache“ vorgelegt.
Bei der CDU klingt das dann so (Rechtschreibung wie im Original):
„Deutschland ist ein Land in Europa.
Europa ist ein Erdteil mit vielen Ländern.
Seit vielen Jahren arbeiten einige Länder aus Europa zusammen.
Das nennt man Europäische Union.“ (Wahlprogramm der CDU)
Der Philosoph Konrad Paul Liessmann, der an der Universität Wien lehrt, hat in einem Beitrag für die NZZ den sozialromantischen Glauben der Verfechter einer möglichst leichten Sprache treffend beschrieben: „Wenn man alles Notwendige wie Formulare, Parteiprogramme und Wahlaufrufe gleich in Leichter Sprache verfasse und alles Unnötige wie Goethes «Faust», die Bibel und Thomas Manns «Zauberberg» in Leichte Sprache «übersetze», sei niemand mehr von den Segnungen der Politik und Kultur ausgeschlossen.“ (NZZ)
Es ist schon richtig, dass man stets bemüht sein sollte, die Dinge nicht komplizierter als notwendig auszudrücken. Aber es geht einfach zu weit, wenn die Mehrheit aus Rücksicht auf die Defizite einer Minderheit auf notwendige sprachliche Differenzierungen und Nuancen verzichten soll.
Das Urteil des erfahrenen Schriftstellers und Publizisten Bruno Bandolet im ef-magazin über unser Programm fällt ganz anders aus als das der Erbsenzähler aus Hohenheim:
„Hinzu kommt … dass ich das Wahlprogramm der AfD alles in allem gut und überzeugend finde. Es ist in besserem Deutsch geschrieben als das Programm der anderen Parteien, es ist durchdacht und in sich schlüssig, und es formuliert tatsächlich Alternativen für Deutschland.“
Das Wahlprogramm der AfD ist so, wie es ist, gut. Wir finden es gut, wenn seine Lektüre dem Leser eine gewisse geistige Anstrengungabverlangt. Wenn uns attestiert wird, es sei näher an einer Doktorarbeit als am Jargon einer Boulevardzeitung, betrachten wir dies als Kompliment. Wir trauen unseren Wählern etwas zu und behandeln sie wie Erwachsene.
Unser Programm wurde nicht von irgendeiner Berater- oder Werbefirma verfasst, sondern in ehrenamtlicher Arbeit von unseren in elf Bundesfachausschüssen organisierten Mitgliedern. Jeder Fachausschuss konnte weitgehend selbst über den Inhalt „seiner“ jeweiligen Kapitel bestimmen, die dann nach einer behutsamen redaktionellen Bearbeitung dem Bundesparteitag vorgelegt wurden.
Politisch interessierte und engagierte Bürger haben ihre berufliche Erfahrung unentgeltlich der AfD zur Verfügung gestellt. Wir Bürger haben uns selbst ein Programm gegeben, ist das nicht toll? So geht Demokratie!
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Dr. Götz Frömming
Mitglied der Redaktionskommission
der Bundesprogrammkonferenz der AfD