Die Absolution für EZB-Anleihekäufe schwächt die deutsche Rechtsordnung

Dr. Gunnar Beck (AfD), stellvertretender Vorsitzender der ID-Fraktion

Bundesregierung und die CDU-SPD-GRÜNE Einheitsfraktion im Bundestag gehen über das Bundesverfassunsgericht-Urteil hinweg.

Das höchste deutsche Gericht hat die EZB-Anleihenkäufe für EU-vertragswidrig erklärt und der EZB eine Dreimonatsfrist eingeräumt. Diese ist nun verstrichen, ohne dass sich etwas getan hätte. Dr. Gunnar Beck, Rechtspolitischer Sprecher der AfD-Delegation im EU-Parlament, nimmt hierzu wie folgt Stellung:

„Am 5. Mai urteilte das Bundesverfassungsgericht, dass die im Januar 2015 aufgenommen und seitdem fortgesetzten Staatsanleihenkäufe der EZB gegen das geldpolitische Mandat der Zentralbank und die EU-Verträge verstoßen. Das Gericht räumte der EZB eine Frist von drei Monaten ein, die Verhältnismäßigkeit ihrer Geldpolitik darzulegen. Andernfalls sei der Bundesbank die weitere Mitwirkung an den EZB-Anleihenkäufen automatisch untersagt.

Die Analyse der Richter ist klar im Ton, scharf in der Kritik und einwandfrei. Damit hätte die Bundesbank nach dem Urteil am Mittwoch, den 5. August, die Mitwirkung an den EZB-Anleihekäufen einstellen müssen. Dennoch geschieht nichts, die EZB weitet die Geldmenge auf diesem Weg immer weiter aus. Wir haben ein Urteil, aber es wird einfach ignoriert.

Kernpunkt des Urteils der Karlsruher Richter ist, die EZB habe die Verhältnismäßigkeit ihrer Maßnahmen nicht nachgewiesen und sich angemaßt, Wirtschaftspolitik werde allein dadurch zu Geldpolitik, weil es die EZB für richtig hält. Nach Ansicht der Richter handele die EZB nur vertragsgemäß, wenn die Anleihenkäufe keine unverhältnismäßigen wirtschaftspolitischen Auswirkungen hätten und die EZB sich keine eigenständigen wirtschaftspolitischen Kompetenzen anmaße. Denn nach den EU-Verträgen fällt die allgemeine Wirtschaftspolitik – im Gegensatz zur Geldpolitik – in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten.

Wenige Tage nach Urteilsverkündung im Mai stellte die EZB klar, sie werde der Aufforderung der Richter nicht nachkommen. Stattdessen wiederholte EZB-Präsidentin Lagarde immer wieder, ihre Politik sei verhältnismäßig, ohne näher zu erläutern, wieso die EZB-Anleihenkäufe keine wirtschaftspolitische Auswirkungen hätten. Das kann sie auch gar nicht, denn die EZB reagiert seit Jahren auf eine wirtschaftliche Krise nach der anderen.

Anfang Juli schaltete sich dann der Bundestag ein. Statt die EZB zurechtzuweisen, beschlossen die Mehrheitsparteien gegen die Stimmen der AfD und bei Enthaltung der Linken, die EZB habe rechtmäßig gehandelt. Ende Juli bekräftigte Finanzminister Olaf Scholz diese Aussage.

Anfang August signalisierte dann Bundesbankpräsident Weidmann, auch er sehe die Forderungen des Verfassungsgerichts als erfüllt an. Ausgerechnet Jens Weidmann, der von 2012 bis 2014 immer wieder gewarnt hat, die EZB-Politik werde mit Geldentwertung und Wettbewerbsverzerrungen Deutschland in den Abgrund führen. Genau dazu haben die EZB-Anleihenkäufe mittlerweile geführt.

Und worauf gründen Bundestag, Bundesregierung und Bundesbank ihre Ansicht? Auf den Beteuerungen von Lagarde und Dokumenten, die die EZB den deutschen Organen übersandt hat. Die meisten davon sind seit Jahren bekannt, belegen gar nichts und sind genau die Unterlagen, die die Verfassungsrichter prüften und für ungenügend erachteten. Allerdings, so der Bundestag, sollen die Abgeordneten auch drei EZB-Geheimpapiere unter dem Mantel der Verschwiegenheit konsultiert haben, die wohl auch der Bundesregierung und Bundesbank vorlägen. Ob und in welchem Umfang dies tatsächlich geschah, ist unklar. Ebenso, was die Dokumente belegen sollen oder ob sie überhaupt existieren, denn sie sind ja geheim. Damit, so behauptet die deutsche Politik, sei das Verfassungsgerichtsurteil vom Tisch, denn die EZB sei entlastet.

Wie geht’s nun weiter? Antwort: gar nicht. Normalerweise entfalten Entscheidungen des Bundesverfassungsgericht Rechtskraft. Alle Verfassungsorgane, Behörden und Gerichte sind daran gebunden. Doch diesmal wird sich das Gericht wohl nicht weiter äußern. Das berichteten die deutschen Zeitungen und Medien letzte Woche, unter anderem die FAZ mit Berufung auf einen der Verfassungsrichter.

Einzig die eigentlich erfolgreichen Beschwerdeführer können nun auf eine Prüfung durch Karlsruhe drängen, ob die Anforderungen aus dem Urteil tatsächlich erfüllt wurden. Ein solcher Rechtsstreit, sollte er zugelassen werden, könnte sich wieder jahrelang hinziehen.

Das Nachspiel scheint allerdings nicht nur deshalb bedeutungslos, denn auch gegen einen weiteren Entscheid aus Karlsruhe haben Merkel, Bundesregierung und Parlament schon Vorkehrung getroffen. Das EZB-Urteil war das letzte Urteil des vormaligen Gerichtspräsidenten Vosskuhle, dessen Nachfolge im zuständigen Zweiten Senat eine den Grünen und EZB-Freunden nahestehende Verfassungsrichterin angetreten hat. Damit haben sich die Mehrheitsverhältnisse im Verfassungsgericht, auch aufgrund anderer prophylaktischer Personaleingriffe, entscheidend verändert. Wahrscheinlich wird das Verfassungsgericht nie wieder ein EU-kritisches Urteil fällen.

Fassen wir zusammen: Das höchste deutsche Gericht hat die EZB-Anleihenkäufe für EU-vertragswidrig erklärt und der EZB eine Dreimonatsfrist eingeräumt, sich zu exkulpieren. Außerdem nannten die Karlsruher Richter die Rechtsauslegung des Europäischen Gerichtshofes ,nicht mehr nachvollziehbar‘ und ‚objektiv willkürlich‘. Schließlich rügten die Richter, Bundesregierung und Bundestag kämen ihrer verfassungsmäßigen Pflicht, auf die Einhaltung der EU-Verträge hinzuwirken, nicht nach. Anschließend weigerte sich die EZB, dem Beschluss nachzukommen, und nach Verstreichen der Frist beschließen Bundesregierung und Bundestag, das Urteil sei bedeutungslos. Damit wird eines der wichtigsten Urteile der Geschichte der Bundesrepublik ad acta gelegt“, sagt Beck.