Ein Kommentar der AfD-Landesvorsitzenden von Schleswig-Holstein, Doris von Sayn-Wittgenstein.
Die Institution des Verfassungsschutzes ist eine originär bundesdeutsche „Erfindung“. In anderen modernen Demokratien sucht man vergebens nach einer derartigen Behörde. Der Einsatz dieses Instruments muss deshalb mit äußerster Sorgfalt erfolgen. Zurückhaltung und Bedacht sind das Gebot. Dies gilt verstärkt, als die Beobachtung von bestimmten Personen oder Personengruppen den Verdacht eines Eingriffes in die verfassungsmäßigen Grundrechte als Mittel zum Erhalt politischer Macht erweckt. Und es gilt umso mehr, wenn eine politische Meinung von einer (zunehmenden) Mehrheit im Volke geteilt wird.
Eine Demokratie lebt vom Meinungsaustausch und muss deshalb Meinungsvielfalt aushalten. Insofern ist es verdächtig, dass die Diskussionen um die angeblich verfassungsfeindlichen Bestrebungen in der AfD Fahrt aufnehmen, je weiter die Partei den Charakter einer Volkspartei annimmt. Die jüngsten Äußerungen des designierten Bundesinnenminister Horst Seehofer sprechen da Bände und lassen für dessen Amtszeit nichts Gutes erahnen.
Ausgehend von der Idee einer demokratischen Verfasstheit unseres Staates muss die Frage gestattet sein, ob eine Meinung überhaupt verboten sein kann. In seinem Urteil vom 30.11.2010 (Az. 4 U 109/10) nimmt das Bundesverfassungsgericht zur Abgrenzung von Tatsachenbehauptungen und Meinungsäußerungen Stellung. Eine Tatsachenbehauptung sei dem Beweis zugänglich. Das Verfassungsgericht führt aus, dass die Bewertung, ob ein Beitrag „rechtsextrem“ sei, wann sich ein Denken vom „klassisch rechtsradikalen verschwörungstheoretischen Weltbild“ unterscheide und wann man „es sich gefallen lassen muss, rechtsradikal genannt zu werden“, nicht dem Beweis zugänglich sei. Ergo handele es sich um Meinungsäußerungen, die dem Schutzbereich des Grundgesetzes (Art. 5 GG) unterfielen.
Die Begriffe „rechtsextrem“ und „rechtsradikal“ ziehen sich jedoch durch alle Verfassungsschutzberichte und entbehren daher einer objektiven Überprüfbarkeit.
Es muss daher die Frage gestattet sein, ob die Verfassungsschutzbehörden nicht in einem Akt der Selbstermächtigung für sich oder nach Vorgaben ihres Dienstherrn definieren, was als verfassungswidrig zu gelten habe und wer somit zur Beobachtung freigegeben sei.
Ein politischen Vorgaben gehorchender Verfassungsschutz kann bei fehlender rechtsstaatlicher Sorgfalt schnell zu einem politischen Kampfinstrument werden. Wenn missliebige Meinungen mittels der Beobachtung durch den Verfassungsschutz faktisch mundtot gemacht werden, ist dies ein gravierender Verstoß gegen die grundgesetzlich verbriefte Meinungsfreiheit.
Wie der Verfassungsrechtler Prof. Dr. Dietrich Murswiek in einem Vortrag ausführte, hat sich der Verfassungsschutz allein an „Bestrebungen“ auszurichten, die sich gegen die verfassungsmäßige Grundordnung richten. Das „bloße Haben einer Meinung“ unterfalle daher nicht dem Tätigkeitsbereich der Ämter für Verfassungsschutz. Der Bericht über Personen oder Gruppierungen, die lediglich im Verdacht stünden, verfassungsfeindlich zu handeln, sei rechtswidrig.
In seiner Abhandlung „Verfassungsschutz durch Information der Öffentlichkeit – Zur Entwicklung der Verfassungsschutzberichte seit dem JF-Beschluss“ stellt Murswiek außerdem fest, dass mit Ausnahme der Verfassungsschutzberichte Berlins und Brandenburgs alle in den Jahren 2006 bis 2009 publizierten Verfassungsschutzberichte von Bund und Ländern verfassungswidrig seien!
Diese Erkenntnisse sollten wir immer berücksichtigen, wenn mit der Keule des Verfassungsschutzes gewunken wird.