Wenn es um Rechtsstaatlichkeit und die Umsetzung von geltendem Recht geht, hat die EU allen Grund, selbstkritisch zu sein – doch stattdessen verhängt sie wegen der polnischen Justizreform eine drakonische Strafzahlung. Weil Polen aus Sicht des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) einzelne EU-Urteile nicht vollständig umsetzt, soll das kleine Land ab sofort eine Strafzahlung von täglich einer Million Euro zahlen. Diese Entscheidung des obersten EU-Gerichts ist ein dreister Erpressungsversuch und ein Eingriff in die nationale Souveränität Polens. Als hätte sich die EU mit dem „Brexit“ und anderen Abspaltungstendenzen nicht schon genug blaue Augen abgeholt, überschätzt sie nun weiterhin ihre Kräfte und provoziert einen Mitgliedsstaat nach dem anderen.
Dabei liegt es auf der Hand, dass es hier gar nicht um die ehrliche Sorge um Rechtsstaatlichkeit geht, sondern um ganz andere Dinge: Offensichtlich soll ein Exempel gegen Länder statuiert werden, die es wagen, dem Weg in einen EU-Superstaat zu widerstehen. Zudem läuft ein Kulturkampf der linksliberal geprägten EU-Eliten gegen die konservativen Osteuropäer, die mit ihrer Familien- und Migrationspolitik ein Dorn im Auge der westeuropäischen Gutmenschen sind. Dies führt freilich dazu, dass bei der Einhaltung rechtsstaatlicher Prinzipien mit zweierlei Maß gemessen wird. Niemals würde der EuGH mit gleicher Schärfe gegen Deutschland vorgehen, wo hochrangige CDU-Politiker den Posten des Präsidenten des Verfassungsgerichts bekleiden und wo Verfassungsrichter beim Abendessen im Kanzleramt politisch eingeordnet werden.
Umso mehr ist es bewundernswert, dass Polen dem vermeintlich übermächtigen EU-Goliath trotzt – hoffen wir, dass unsere östlichen Nachbarn weiterhin standhalten!